Erin Schuman erhält renommierten Körber-Preis für wegweisende Forschung zur neuronalen Proteinsynthese
Erin Schuman, Direktorin am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt, ist mit dem renommierten und mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft ausgezeichnet worden. Schumans Arbeit hat unser Verständnis der Funktionsweise von Nervenzellen revolutioniert. Ihre Forschungen haben gezeigt, dass Proteine, die für die Kommunikation zwischen Nervenzellen, für die Gedächtnisbildung und für die gesamte Entwicklung des Gehirns entscheidend sind, lokal an den Synapsen, den Schaltstellen zwischen Nervenzellen, gebildet werden. Diese Entdeckung widerlegt die lange vorherrschende Meinung, dass Proteine nur im Zellkörper der Nervenzellen gebildet werden.
Bis zu Schumans bahnbrechenden Forschungen ging man davon aus, dass Proteine im Zellkörper der Nervenzellen synthetisiert und dann zu den Synapsen transportiert werden. Angesichts des riesigen und komplexen Netzwerks von Synapsen stellte diese Vorstellung eine logistische Herausforderung dar. Schumans Forschungen stellten diese Vorstellung in Frage, indem sie zeigten, dass Synapsen unabhängig voneinander Proteine produzieren können, auch wenn sie von ihrem Zellkörper getrennt sind. Dieser lokale Produktionsmechanismus erklärt, wie Neuronen ihre ausgedehnten synaptischen Netzwerke, die für Lernen und Gedächtnis entscheidend sind, effizient verwalten.
Edvard Moser, Nobelpreisträger für Physiologie und Medizin und Vorsitzender des Auswahlausschusses für den Körber-Preis, unterstreicht die Bedeutung von Schumans Arbeit. Würden Proteine nur im Zellkörper produziert, wäre es für die Nervenzellen eine enorme Herausforderung, sie zu sortieren und an die richtigen Synapsen zu transportieren.„Angesichts der ungefähr 10.000 möglichen Synapsen pro Nervenzelle und hunderttausender nötiger Proteine wäre der Sortier- und Transportaufwand astronomisch“, so Moser. Schumans Entdeckung, dass Proteine lokal an den Synapsen produziert werden, löst dieses Problem und bringt unser Verständnis der neuronalen Funktion voran.
Zukünftige Forschung und Potentielle Behandlungsmöglichkeiten
Aufbauend auf ihren bahnbrechenden Erkenntnissen will Schuman die Rolle von Proteinen bei Hirnkrankheiten weiter erforschen. „Es gibt zunehmend Hinweise, dass viele Hirnkrankheiten letztlich Erkrankungen der Synapsen sind“, so die Forscherin. Beispiele sind das Fragile X-Syndrom, die Huntington-Krankheit und das Rett-Syndrom. Diese Krankheiten gehen mit einer Einschränkung oder dem Verlust kognitiver Fähigkeiten, Lernschwierigkeiten und einer verzögerten Sprachentwicklung einher. Mit Hilfe des Körber-Preises will Schuman die synaptischen Veränderungen untersuchen, die bei diesen Krankheiten auftreten. Diese Forschung könnte zu Therapien auf molekularer Ebene führen und den Betroffenen neue Hoffnung geben.
Über Erin Schuman
Erin Schuman wurde 1963 in San Gabriel, Kalifornien, geboren und ist seit 2009 Direktorin am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt. Sie studierte Psychologie an der University of Southern California und promovierte in Neurowissenschaften an der Princeton University. Sie war Postdoktorandin an der Stanford University und Fakultätsmitglied am California Institute of Technology. Seit 1997 ist sie Forscherin am Howard Hughes Medical Institute. Schuman ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der amerikanischen National Academy of Science und der Britischen Royal Society. 2023 erhielt sie den renommierten Brain Prize der dänischen Lundbeck Foundation.
Über den Körber-Preis
Der mit einer Million Euro dotierte Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft wird Erin Schuman am 20. September 2024 im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses verliehen. Der Preis, einer der höchstdotierten Wissenschaftspreise der Welt, wird für bedeutende wissenschaftliche Durchbrüche in Europa vergeben. Die Preissumme ist für Forschung und Wissenschaftskommunikation einzusetzen, zehn Prozent dürfen für persönliche Zwecke verwendet werden. Die Körber-Stiftung vergibt den Preis seit 1985, acht Preisträger erhielten später den Nobelpreis.